Pulverbeschichtung vs. Nasslackierung: Vor- und Nachteile
Die Oberflächenveredelung ist es, die den meisten Werkstücken ihre einzigartigen funktionalen und optischen Eigenschaften verleiht. Beschichter müssen dabei oft zwischen zwei etablierten Lacksystemen wählen: Nasslackierung und Pulverbeschichtung. Insbesondere Pulverbeschichtung hat aufgrund des anhaltenden Nachhaltigkeitstrends in den vergangenen Jahrzehnten immer mehr Anklang gefunden. Je nach Anwendung bieten beide Technologien individuelle Vor- und Nachteile.
Die Zusammensetzung des Lacks
Nasslack ist ein flüssiges Gemisch, das sich aus nichtflüchtigen Komponenten (Bindemittel, Additive, Pigmente, Füllstoffe etc.) und einem flüchtigen Bestandteil, dem Lösungsmittel, zusammensetzt. Beim Aushärten verdampft das Lösungsmittel, während die restlichen Stoffe auf der Oberfläche den Lackfilm bilden.
Pulverlack ist ein trockenes Gemisch, bei dem Bindemittel, Additive, Pigmente und Füllstoffe zu feinem Pulver gemahlen werden. Lösungsmittel braucht es dafür nicht. Verglichen mit Nasslack ergeben sich dadurch bestimmte Anforderungen an das Substrat sowie Unterschiede in der Applikation.
Das Auftragen der Beschichtung
Nasslack
Beim Auftragen von Nasslack kann grob zwischen zwei Methoden unterschieden werden. Welche davon besser geeignet ist, hängt von der Anwendung, dem Substrat und dem betrieblichen Umfeld ab.
- Applikationsverfahren: Erfolgt im Heimbereich üblicherweise durch Pinsel und Rollen oder manuelle Sprühpistolen. Im industriellen Umfeld wird der Lack – aufgrund höherer Effizienz – in modernen Sprühkabinen und mittels automatisierter Beschichtungsanlagen aufgetragen.
- Tauchverfahren: Hierbei werden die zu beschichtenden Werkstücke in ein Lackbad eingetaucht. Diese Methode eignet sich vor allem für die Beschichtung von Bauteilen, die aufgrund ihrer Form und Größe schwierig zu lackieren sind.
Pulverlack
Pulverlack wird in der Regel mittels Sprühapplikation aufgebracht. Das Werkstück muss eine elektrische Leitfähigkeit aufweisen, da das Pulver durch elektrostatische (oder tribostatische) Aufladung am Bauteil haftet. In Sonderfällen kommen auch andere, spezielle Applikationsvarianten zum Einsatz:
- Heißbeschichtung: Durch Erhitzen des Substrats wird das Pulver direkt bei Kontakt angeschmolzen und haftet so an der Oberfläche. Die Applikation des Pulvers kann dabei sowohl mittels Sprühpistole als auch durch Wirbelsinterung erfolgen.
- Auftragen leitfähiger Flüssigkeit: Stellt die für die Pulverbeschichtung benötigte Leitfähigkeit her, sodass auch ursprünglich nicht leitfähige Substrate wie beispielsweise Kunststoffe beschichtet werden können.
Dadurch ist es möglich, eine Vielzahl an nicht-metallischen Substraten (Kunststoffe, Glas, Keramik etc.) zu beschichten.
Die Trocknungsbedingungen im Vergleich
Flüssiglack ist auf einer Oberfläche erst dann ausgehärtet, wenn das gesamte Lösungsmittel verdampft ist. Dieser Prozess kann in einem Ofen stattfinden oder durch Lufttrocknung erfolgen. Der Festkörpergehalt von Flüssiglacken variiert und kann von 30 % bis über 60 % reichen. Der Festkörperanteil wirkt sich auf die Deckkraft aus (geringerer Festkörperanteil bedeutet geringere theoretische Deckkraft). Um die geforderte Schichtdicke zu erreichen, müssen deshalb oft mehrere Schichten Nasslack aufgetragen werden. Die nächste Schicht kann immer erst dann folgen, wenn die letzte getrocknet ist – damit wächst auch der Prozessaufwand.
Pulverbeschichtung punktet hier mit Zeiteffizienz. Für eine qualitativ hochwertige Oberfläche ist bei Pulverlack normalerweise nur eine Schicht notwendig. Nach der Applikation landen die beschichteten Teile im Einbrennofen – hier wird das Pulver aufgeschmolzen und härtet mittels chemischer Vernetzungsreaktion aus. Die benötigte Einbrenndauer ist abhängig von der Zusammensetzung des Pulverlacks und der Beschaffenheit des Werkstücks. Nach dem Abkühlen ist die Beschichtung sofort gebrauchsfertig.
Die für Pulverlacke üblichen Härtungstemperaturen liegen im Bereich von 160–200 °C, wodurch sich Limitierungen im Hinblick auf die dafür infrage kommenden Substrate ergeben. Neuentwicklungen in der Pulverlack-Technologie mit deutlich niedrigeren Härtungstemperaturen und -zeiten erlauben mittlerweile aber immer mehr Einsatzmöglichkeiten. So können beispielsweise holzbasierte Werkstoffe wie etwa mitteldichte Faserplatten (MDF) oder sogar einzelne Vollholzarten beschichtet werden.
Optische Unterschiede der Lackschichten
Aufgrund der niedrigen Viskosität ist ein sehr glatter Oberflächenverlauf mit Nasslack deutlich einfacher zu erzielen. Zusätzlich punkten Nasslacksysteme mit intensiver Effektausprägung zum Beispiel bei Metallic-Effekten, da hier die Orientierung der Effektpigmente im Zuge der Lösungsmittelverdampfung sehr einfach realisiert werden kann.
Dem in nichts nachstehend, hat sich Pulverlack hinsichtlich Produktreichtum bei Effekten und Optik rasant weiterentwickelt. Im Laufe der Jahre wurden vielfältige Effekte wie Metallics, Flip-Flop, Dormant oder Perlglanz entwickelt und stetig verbessert. Mit seinen 3D Metallics revolutionierte TIGER 2017 die Effektausprägung von Pulverbeschichtungen und schafft damit Oberflächen mit vergleichbarer Tiefen- und Effektwirkung zu Nasslack. Zusätzlich bietet TIGER eine Auswahl an Texturen, die so nur mit Pulver realisierbar sind.
Widerstandsfähigkeit und mechanische Eigenschaften
Beim Thema Beständigkeit hat Pulverlack die Nase vorn. Pulverbeschichtungen weisen eine hohe Funktionalität in Sachen Kratz- und Schlagfestigkeit, Verformungsbeständigkeit sowie Plastizität auf. Die guten mechanischen Eigenschaften sind beispielsweise beim Transport von lackierten Bauteilen von Vorteil, da sich Beschädigungen damit deutlich reduzieren lassen.
Die erhöhte Schichtdicke und damit bessere Kantendeckung bei pulverbeschichteten Teilen trägt dazu bei, dass Pulverbeschichtungen in puncto Korrosionsschutz weit vor handelsüblichen Nasslackierungen liegen.
Nachhaltigkeit und Umwelt
Beim Aushärten von Nasslack und der damit verbundenen Verdampfung des Lösungsmittels werden Dämpfe, sogenannte VOCs (Volatile Organic Compounds) freigesetzt. Diese Stoffe sind sowohl bedenklich für die menschliche Gesundheit als auch schädlich für die Umwelt. Gleichzeitig geht beim Auftragen einer Nasslackierung mittels Sprühpistole viel Material am Beschichtungsobjekt vorbei verloren (Overspray), da nur ein Teil der versprühten Menge am Bauteil haften bleibt. Zusätzlich müssen Lackrückstände in der Luft aufwändig abgesaugt werden.
Beim Pulverbeschichten ist der Materialnutzungsgrad höher: In modernen Pulverlackierkabinen können bis zu 100 % des Oversprays rückgewonnen werden. Das schont nicht nur die Umwelt, sondern auch das Budget!
Fazit
Eine allgemeine Aussage, welche Technologie „die Nase vorn hat“, lässt sich pauschal nicht treffen, denn jeder Betrieb stellt unterschiedliche Anforderungen an die Veredelung von Oberflächen. Sind Effekte und Flexibilität bei der Substratwahl gefragt, bieten Nasslacke einen großen Nutzen. Stehen Zeiteffizienz, Beständigkeit und Nachhaltigkeit im Vordergrund, fällt die Wahl eindeutig auf Pulverlacke.
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