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Der Eigentümer erzählt: Fünf Anekdoten von Kurt Berghofer

Wandkleider für die gnädige Frau

Es war eine kinderreiche Familie, die Julius und Anna Berghofer begründeten: sechs Jungen, fünf Mädchen. Die meisten von ihnen traten in die Fußstapfen des Vaters und erlernten das Malerhandwerk. Auch die Mädchen. „Meine Tante Klara konnte noch im hohen Alter eine Tür lackieren, so glatt und perfekt, dass man sich anschließend in ihr rasieren konnte“, erinnert sich Kurt Berghofer. „Sie war die erste Malermeisterin im ganzen Umkreis.“ Bis dahin aber war es noch ein weiter Weg. Noch saßen am großen Esstisch elf Kinder, die es zu ernähren, großzuziehen und auf eigene Füße zu stellen galt.

Die wirtschaftliche Grundlage für all das bot ein kleines Malergeschäft, das der 1875 geborene Julius Berghofer mit rund 25 Jahren in dem kleinen Städtchen Gmünd in Niederösterreich gründete. Das Tagewerk der ersten Stunde drehte sich um das Handwerk. Das Familienoberhaupt schliff und spachtelte Fenster, lackierte Küchenmobiliar, strich und bemalte Wände, kurz: Er verschönerte die Häuser des Ortes. Wer etwas auf sich hielt, der ließ seine repräsentativen Räume zudem dekorieren. Schabloniermuster waren ganz groß in Mode. In mehreren Arbeitsschritten, mit bis zu zwölf eigens angemischten Farben entstanden kunstvolle Wandmuster in gut betuchten Wohnungen. Von Hand geschnittene Papierschablonen wurden dazu immer wieder übereinandergelegt, ihre Durchbrüche und Ränder nacheinander geduldig ausgemalt, bis schließlich der ganze Wohnraum, das komplette Esszimmer und Schlafzimmer in ihrer Gestalt erstrahlten: fantasievolle Ornamente, üppige Blumenbuketts, florale Ranken, wohin das Auge blickte. Zur Freude der später geladenen Gäste.

Dabei, allerdings, stand ein Effekt im Vordergrund: Das Wandmuster musste einzigartig sein. Wie ein maßgefertigtes Modellkleid schmückte es die Dame des Hauses. Alles andere wäre einem gesellschaftlichen Fauxpas gleichgekommen. Es gehörte also zum guten Ton eines Julius Berghofer, dass er nach getaner Arbeit die kunstvoll geschnittenen Papierschablonen zerriss – als Ausdruck ihrer Einzigartigkeit. Vor den Augen der Kundin. Denn es war immer die Dame des Hauses, die das letzte Wort über die „Wandbekleidung“ sprach. Zum Glück. Denn so kam das künstlerische Talent, das Julius Berghofer mitgegeben wurde, vollends zum Ausdruck: „‚Gnädige Frau, für Sie entwerfe ich ein eigenes Muster‘, pflegte mein Großvater zu einer neuen Kundin zu sagen“, erzählt Kurt Berghofer. Eine „Muster-Masche“, die ankam. Es dauerte nicht lang und Julius Berghofer hatte sich einen Namen gemacht. Und er ergriff die Chance, wenn auch nicht reich zu werden, so doch sein gutes Geld zu verdienen – und so seine vielköpfige Kinderschar tüchtig über Wasser zu halten. Denn währenddessen wuchs, mehr und mehr, ein kleines Familienunternehmen heran. 

Brüderliche Muskelkraft

Drei der elf Kinder folgten dem Vater ins Geschäft: Gustav (geboren 1906), Johann (1909) und Theodor (1912), das jüngste unter den elf Geschwistern. Nach ihrer Lehrzeit zog es sie zurück in die Stelzhammerstraße 12, nach Wels in Oberösterreich, wohin Malerbetrieb wie Familie circa 1924 übergesiedelt waren. Und die Söhne brachten – zum Handwerk – etwas Neues mit: die Produktion. Bislang kaufte Julius Berghofer sein Malermaterial ein, etwa weiße Kalkfarbe, die er mit Trockenfarben nach Kundenwunsch abtönte. Seine Söhne begannen nun, neben Trockenfarben auch Ölfarben, Kitte und Verdünnungen selbst herzustellen. Jahrzehntelange Erfahrung mit Rohstoffen, ihren Qualitäten und Eigenschaften besaß ja der Senior. So kam eins zum anderen.

Wenn auch – erst einmal – langsam: Noch zählte die Handarbeit. Denn eine elektrobetriebene Mühle, um Ölfarben zu erzeugen, war nicht erschwinglich. So betrieben die Brüder die Herstellung mit ihrer Muskelkraft. Leinöl, Pigmente und Trockenstoffe bildeten die wesentlichen Bestandteile von Ölfarben. „Auch Blei- und  Cadmiumverbindungen wurden damals noch als Pigment verarbeitet, sie deckten ganz ausgezeichnet. Heute weiß man allerdings, wie giftig sie auch sind“, erklärt Kurt Berghofer.

Nach einfachen Rezepturen entstanden Produkte, die der eigene Malerbetrieb verbrauchte, die aber auch verkauft werden konnten. „Wie viel die Brüder am Tag herstellen konnten, ist heute kaum nachvollziehbar. Es können aber nur einige Kilogramm gewesen sein“, vermutet Kurt Berghofer, „denn die Arbeit war so schweißtreibend, dass sie sich stündlich abwechseln mussten.“ Ein kleiner Ausbau direkt an der Malerwerkstatt diente als Verkaufslokal, das neben den eigenen Farben auch verwandte Handelswaren bot, die dazugekauft wurden. Ein Zubrot, das der Vater schon begonnen hatte, das aber mit der eigenen Produktpalette nun an Fahrt aufnahm. Besonders ab 1929, als auch Theodor, der dritte im Bunde, in den väterlichen Betrieb einstieg. Als Benjamin der Familie hatte er als Einziger die Handelsschule besuchen und bei einer Großhandelsfirma volontieren dürfen.

1930 zog der Produktverkauf von der Werkstatt in ein separates Farbenfachgeschäft, das Gustav und Theodor Berghofer betrieben. 1930 wurde damit auch zum Gründungsjahr einer Firma, die sich bald TIGER nannte. Ihr Leben lang sollten die beiden Brüder gemeinsam arbeiten – und ihr Geschäft Idee um Idee ausbauen. Nicht aber, dass der Dritte im Bunde, Johann, untätig geblieben wäre. Er gründete 1934 eine eigene Unternehmung in Tirol, von der später noch zu berichten sein wird.

Junior puscht Senior

Theodor, das jüngste der Berghofer Geschwister, erkannte bei seinem Vater ein Talent: das Künstlerische. Das Entwerfen und die handwerkliche Ausgestaltung seiner Ideen lagen ihm. Nicht nur in der Malerwerkstatt. Auch nach Feierabend widmete er sich den Farben, dann allerdings auf Leinwänden, die er zu schönen Bildern werden ließ. Die neuen Produktions- und Verkaufsideen der Söhne waren ja gut und schön, der Senior aber blieb bei seinem Leisten; vor allem bei seinen Schabloniermustern. Und das war gut so. Denn Theodor Berghofer wusste geschäftlich etwas draus zu machen. Sein Mittel: eine Auslandsreise. Er hatte von der Hannover Messe gehört, der damals größten Universalmesse in Europa, die technische Neuerungen aller Art präsentierte. Hierhin machte sich der Filius erstmals Anfang der 1930er Jahre auf, um dort eine elektrisch betriebene Papierschneidemaschine zu erspähen und zu erstehen. Sie konnte bis zu 20 Schablonen produzieren, in nur einem Arbeitsgang. Ein neues Muster, das der Senior entwarf, ließ sich nun leicht multiplizieren. Und mit ihm die Kundschaft. Das brachte den Junior auf eine weitere Idee: Das Exklusivitätsrecht des Schabloniermusters sollte ab jetzt per Stadt gelten. Das bedeutete rein praktisch: Er konnte auswärtige Malerbetriebe mit den Mustern des Vaters beliefern und sie zugleich in Wels, wie gehabt, an die Wand bringen.

Eine gelungene Vertriebsidee, die die lokal orientierten Kundinnen in den Genuss der Exklusivität brachte und gleichzeitig ein ganz neues Geschäft eröffnete. Ein Hindernis allerdings gab es: den eigenen Vater. Wohl sah er, dass seine Entwürfe überall auf Gegenliebe stießen, aber sein Exklusivitätsrecht zu „modifizieren“, das fiel ihm schwer. „Da brauchte es schon Hilfe von dritter Seite. Erst mit Unterstützung der Mutter konnte der Vater schließlich überzeugt werden“, so Kurt Berghofer. Aus der Feder des Seniors und aus der Schneidemaschine des Juniors entstanden von nun an ganze Kollektionen an Wandmustern, die mit einem eigens hergestellten Farbtonsortiment auf den Markt kamen. Dieses „auf den Markt kommen“ darf man sich recht flott vorstellen. Denn Theodor Berghofer zeigte sich geschäftlich bald so erfolgreich, dass er sich ein Motorrad mit Beiwagen leisten konnte. Mit Beiwagen. Das war was! Handelsvertreter reisten in den 1930ern gewöhnlich mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Ein zeitaufwendiges Geschäft. Nicht so Theodor Berghofer: Mit seinem neuen Gefährt brauste er quer durch Österreich, von Stadt zu Stadt, um in jeder einzelnen einen ausgesuchten Malerbetrieb für seine exklusiven Schabloniermuster zu begeistern. Im Beiwagen immer dabei: die aktuelle Kollektion.

Einmal auf den Geschmack gekommen, folgte Theodor Berghofer seinem Entdeckergeist und reiste bald wieder nach Hannover. Und bald kam er wieder mit etwas Neuem heim: etwa mit einer Kunststoff-Spritzgussmaschine. Auch sie multiplizierte die schönen Skizzen des Vaters. Zur Wandbemalung mit Schabloniermustern gab es damals eine preisgünstige Alternative: Malerwalzen. Sie zierten Muster, die aus Gummiplatten ausgeschnitten und um eine etwa 25 Zentimeter lange und circa 5 cm dicke Walze geklebt wurden. Mit Farbe bestrichen, walzte sie die neuen Wandkleider in die Wohnräume – Bahn für Bahn. Oder sie „bemusterte“ in kleinerer Breite schmucke Bordüren, auch sie galten als ganz große Mode.

Die Kunststoff-Spritzgussmaschine produzierte aus einem Urmodell beliebig viele Ableger. Versehen mit einem Holzkern und zwei seitlichen Stiften mussten die fertigen Rollen nur noch in einen Apparat, der eine zusätzliche Farbrolle trug, eingehangen werden, und schon kam ein Muster an die Wand. Gegenüber der sonst üblichen Vulkanisiertechnik bot der Spritzguss eine äußert kostensparende, da effiziente Produktionsweise, die hohe Gewinnspannen versprach und nach spätestens zwei Jahren Laufzeit den kompletten österreichischen Markt für sich einnehmen sollte. Denn alle dreißig Sekunden spuckte das Produktionswunder einen neuen Walzkörper aus. Tagsüber und auch die ganze Nacht hindurch.

Als Julius Berghofer, das Familienoberhaupt und der künstlerische Kopf, 1938 starb, da war für alle zu sehen: Sein Lebenswerk, seine Kinderschar, sein Familienunternehmen waren „groß“ geworden.

Kraftvoller TIGER, kraftvolle Marke

In den 1940ern, mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges kam das Geschäft so recht in Schwung. Die Malerwerkstatt, das Handwerk gehörten in die Vergangenheit. Die Brüder setzten nun ganz auf die Produktion – und auf den Privatmann, der seinerzeit auch im Farbenfachgeschäft einkaufte. Dieses führte große Walzmodelle für Malerwerkstätten und kleine für Endkunden. Um auch ihn adäquat anzusprechen, mangelte es den Berghofers nicht an Einfallsreichtum: Bunte Plakate zeigten die fertig aufgetragenen Muster und schürten die Lust, selbst anzupacken. Alle zwei Jahre entstand eine ganz neue Kollektion, die rund 150 modische Modelle führte. Die vielzähligen Rollen ergänzte ein ganzes Farbensortiment, das aus schon fertig abgetönten, einsatzbereiten Leimfarben, später Dispersionsfarben bestand. Die Devise hieß: schnell und leicht. Und damit: produktiv! Auch Laien konnten mit wenigen Handgriffen wahre Schönheiten an die Wand bringen. Wie der Heimwerker der Zukunft tickte, das offenbarte schließlich das eigene Farbenfachgeschäft in Wels, das bis in die 1980er Jahre hinein geöffnet hatte.

Und noch eine Grundlage für das Konsumenten-Geschäft – und die ertragreiche Zukunft des Do-it-yourself (DIY) – legten die Berghofers früh: TIGER. Eine Marke, mit der unüberhörbar Marketing gemacht werden konnte. Schon Anfang der 1930er suchten die Brüder nach einem griffigen Namen für ihre Produkte. Der Familienname Berghofer schien ihnen nicht passend, es musste etwas Prägnantes, Kurzes sein. Das damals bekannte „Büffel-Wachs“, mit dem Fußböden gepflegt wurden, gab schließlich den Impuls zu TIGER: zu einem kraftvollen, schönen Tier, das gut zu visualisieren war und gut zu merken. Das war’s! Die Berghofers waren entschlossen und beantragten bereits 1934 Markenschutz in Österreich, den sie mit den Jahren über den Globus verteilten. „Dass der Name auch international so gut funktionieren würde, daran dachte zu diesem Zeitpunkt noch kein Mensch“, erzählt Kurt Berghofer, der sich über den nachträglichen Glücksfall nur freuen kann.

Übrigens: Der Dritte im Bunde, Johann Berghofer, der zunächst mit seinen beiden Brüdern ins elterliche Geschäft eingestiegen war und mit seiner Heirat 1934 nach Tirol zog, ließ sich auch vom Tierreich inspirieren: „Adler“ nannte er seine Holzlacke und Holzschutzprodukte, die sein Sohn Günther Berghofer und seine beiden Töchter bis heute erfolgreich in Schwaz produzieren.

Mit den Jahren weitete sich das TIGER-Produktsortiment mehr und mehr aus. Schon früh fassten die beiden Brüder den Entschluss, ein komplettes Farben- und Lackprogramm aufzustellen. Mit dem Kriegsende bekam dieser Plan Gestalt: 1946 entstand eine eigene Produktionshalle in der Kienzlstraße 12 in Wels. 1949 folgte der erste Kunstharzlack. Er besaß den entscheidenden Vorzug, dass er deutlich schneller trocknete als Ölfarbe. Das erleichterte gerade dem Endverbraucher, der zügig Resultate sehen wollte, die Arbeit. Die perfekte Ergänzung zur Berghofer’schen Produkt-Devise: schnell, leicht und damit produktiv.

Neue und verbesserte Rohstoffe kamen auf den Markt und ermöglichten weitere Innovationen: Kunstharzlacke, Rostschutzfarben, Versiegelungen, Betonbeschichtungen, Holzschutz- und Dispersionsfarben. Ein ganzes modernes Farben- und Lackprogramm entstand, zugeschnitten auf den Endverbraucher. Während Gustav Berghofer sich um die Produktion kümmerte, machte sich der kommunikative und charismatische Theodor auf, um neue Vertriebswege auszuloten. Dabei folgte er einer entscheidenden Beobachtung: Neben dem Farbenfachhandel, dessen Regale bereits einige Platzhirsche dominierten, führten gerade im ländlichen Raum auch andere Einzelhändler Farben, etwa Drogerien und Eisenwarenhandlungen. Auf sie fokussierte er sich. Eine Idee, die einschlug. Immer schon mit einem gesunden Gefühl für gutes Marketing ausgestattet, brachte er auch die neuen Waren an den Mann. Der Absatz stimmte, es konnte tüchtig produziert werden, die Marke TIGER wurde sichtbar. Bald schon so sehr, dass der Farbenfachhandel von sich aus auf den wachstumsstarken Lackproduzenten zukam. Mit der Do-it-yourself-Bewegung etablierten sich in den 1970ern zudem die Baumärkte, die den kompletten Markt verändern sollten. Für eine solide eingeführte Marke wie TIGER taten sich hier ganz neue Reviere auf.

Familien- und Freundschaftsbande zum Pulverlack

Trotz aller Entwicklungssprünge blieb eines, wie es war: TIGER blieb ein Familienunternehmen. Bis zu Gustavs frühem Tod 1959 arbeiteten die beiden Brüder Hand in Hand. Beide gründeten eigene Familien, aus denen sich bald ein neuer Junior herauskristallisierte: Kurt Berghofer, einer der beiden Söhne von Theodor und Irmgard Berghofer. „Mein Vater war ein richtiger Familienmensch. Daheim hat er viel von der Firma erzählt und auch, was er Neues plante“, erinnert er sich. „Schon als Kind hat mich das interessiert. Da wusste ich bereits, dass ich eines Tages ein ‚Tiger‘ sein wollte.“ Eines Tages kam 1962. Als der damals 19-Jährige in das Unternehmen eintrat, ließ er einige Wiener Jahre hinter sich, in denen er die Höhere Technische Lehranstalt für Chemie besucht hatte. Und er brachte etwas mit: eine Freundschaft, die der Firmengeschichte eine weitere Wendung geben sollte.

„Mein Vater wollte unbedingt, dass ich als Jugendlicher nach Wien ging. Ich willigte ein, aber nur unter der Bedingung, dass ich nicht im Schülerheim wohnen musste, sondern ein eigenes Zimmer bekam“, erzählt Kurt Berghofer. Der Plan ging auf, der damals 14-Jährige zog nach Wien zur Untermiete. Bald schon teilte er sich sein Zimmer mit einem Kameraden, der auch aus Oberösterreich anreiste: Gerald Hemedinger. Drei Jahre wohnten sie zusammen, das verband sie für ein ganzes Leben.

1967, Gerald Hemedinger besaß bereits eine Führungsposition in den deutschen Chemischen Werken Witten, erzählte er seinem engen Schulfreund Kurt von einem völlig neuen Entwicklungsprojekt: Pulverlack. „Ich war auf Anhieb begeistert“, erinnert sich Kurt Berghofer an das folgenreiche Telefonat, „und ebenso Robert Strouhal, Prokurist und äußert talentierter Lacktechniker in unserem Unternehmen.“ Kurzerhand machten sich die beiden auf, um das Thema Pulverlack für sich einzunehmen. 15 Reisen führten sie nach Holland, Belgien, Deutschland und die Schweiz, wo sie die Technologie und den Markt bei großen Rohstofflieferanten, Lackfabriken, Produktionsmaschinen- und Sprühanlagenfirmen studierten. Binnen anderthalb Jahren rüsteten sie sich, um mit dem neuen Pulverlack zu starten: mit einem völlig neuen Produkt, das zudem nicht auf den bis dato TIGER-typischen DIY-Markt zielte, sondern ausschließlich auf die Industrie. 95 Prozent der TIGER-Produkte gingen bis 1967 als Nasslack an den Endverbraucher. Neben der technologischen Innovation wagte sich der Junior also auch an völlig neue Vertriebswege.

Und was sagte der Vater zu diesem so anderen Expansionskurs? „Technischen Neuerungen gegenüber zeigte er sich stets aufgeschlossen, ihm hat die Idee gefallen“, erinnert sich Kurt Berghofer, der mit 24 Jahren in die Geschäftsführung aufgerückt war. „Aber Vertrauensleute aus der Lackbranche rieten ihm ab, die Sache sei eine Nummer zu groß für uns, hieß es.“ Und tatsächlich: Groß war die Sache allemal. Die geplante Investitionssumme lag bei rund anderthalb Millionen Österreichischen Schillingen (rund 110.000 Euro). Ein hoher Einsatz bei einem damaligen Jahresumsatz von 40 Millionen Schillingen (rund drei Millionen Euro), die rund 40 Mitarbeiter erwirtschafteten.

Und doch, Vater und Sohn wagten die neue Geschäftsidee. 1968 investierte TIGER in die neue Technologie und installierte eine erste kleine Anlage mit Labor und Prüfstand, auf der entwickelt und gleichzeitig produziert werden konnte. Eine lang bewährte Mitarbeiterin interessierte sich dafür, die zusätzliche Schicht von 17 Uhr bis 1 Uhr nachts zu übernehmen. „Omi“, wie sie liebevoll genannt wurde, produzierte mit der neuen Anlage rund zehn Kilogramm Pulverlack pro Stunde. Trotz der geringen Ernte bewältigte sie erste große Aufträge, die stolze 1.000 Kilogramm betrugen, verpackt in Plastiksäcke à 25 Kilogramm mit Überkarton. Die auf zwei Millionen Schilling gestiegene Anfangsinvestition amortisierte sich innerhalb von drei Jahren, so dass eine erste reine Produktionsanlage für Pulverlack folgen konnte. Und mit ihr erste Exporte in das Ausland.

„Nur mit echten Neuheiten kann man in Märkte eindringen“, erklärt Kurt Berghofer sein Erfolgsrezept. Neu war die innovative „TIGER Drylac Pulverbeschichtung“ zweifellos. Und ihre Produkteigenschaften sprachen für sich selbst: bequeme und zügige Verarbeitungsweise, nahezu hundertprozentige Materialausbeute, entsprechende Kostenvorteile, Umweltfreundlichkeit. All dies waren Merkmale, die den damals typischen, lösemittelhaltigen Einbrennlack alt aussehen ließen. Noch immer griff also die Berghofer’sche Produkt-Devise: schnell, leicht und damit produktiv. Außerdem kam ein weiteres Attribut hinzu: sauber. Mit der später aufkommenden Umweltschutzbewegung ein Produktvorteil, der bis in die Zukunft hinein tragen sollte. Bis in die Zukunft hinein trug übrigens auch die Freundschaft zwischen Gerald Hemedinger und TIGER. Bis heute stehen er, seine Technologie- und Produktideen dem Unternehmen tatkräftig zur Seite.

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